von Rudolf Süsske |
I. Auftakt
II. Phänomenologische Grundbegriffe
III. "Die Krisis der europäischen Wissenschaften"
IV. Zum Problem der historischen Rückfrage
V. Die Lebenswelt
VI. Perspektiven der Kritik
Anmerkungen
Literatur
"Reflexion ist nur wahrhaft Reflexion, wenn sie sich nicht über sich selbst erhebt, vielmehr sich selbst als Reflexion-auf-Unreflektiertes erkennt, und folglich als Wandlung der Struktur unserer Existenz."
MERLEAU-PONTY
"Lebenswelt", "Alltagswelt" oder "Common-Sense-WorId" sind seit einiger Zeit zum Thema und manchmal zur Modeerscheinung avanciert. Dies geschah weniger in der Philosophie als in den Soziawissenschaften, der Psychologie und der sozial-historisch orientierten Geschichtswissenschaft. 1 Die Thematisierung dieser Begriffe verdankt sich aber nicht der zufälligen Entdeckung eines neuen, unbearbeiteten "Gegenstandes", sondern dem vielfachen Ungenügen der bisherigen theoretischen und methodischen Ansätze. So ist z.B. der Symbolische Interaktionismus 2 und die Entwicklung der Ethnomethodologie3 als Gegenbewegung zum Struktur-Funktionalismus zu verstehen; oder, wenngleich in viel artifiziellerer Form, die Naive Verhaltenstheorie und die Selbstkonzeptforschung 4 in der Psychologie aus den vereinseitigungen von Eigenschaftstheorien und Behaviorismus hervorgegangen, was jedoch kein mechanisches Determinationsverhältnis unterstellen soll. Allen Ansätzen gemeinsam ist die Hinwendung zum Subjekt, zum Individuum in seinen alltäglichen Handlungs- und kommunikationszusammenhängen, wobei die Interpretatiansmuster des Individuums selbst von Interesse sind. So geraten vormalige Selbstverständlichkeiten der Theoriebildung und Methodik erst in den Blick. Im Symbolischen Interaktionismus werden so z.B. eindeutige kulturelle Deutungsmuster in einer prozessoralen Sichtmeise aufgelöst: "Vielmehr müssen Situationsdefinitionen und Handlungen angesehen werden als Interpretationen, die von den an der Interaktion Beteiligten an den einzelnen 'Ereignisstellen' der Interaktion getroffen werden, und die in der Abfolge von ' Ereignisstellen' der Überarbeitung und Neuformulierung unterworfen sind. " (WILSON, 1960 , S.61 ) Die Ethnomethodologen gehen noch weiter. Wissenschaft und Alltagshandeln sind für sie gleichermaßen Methoden, Wirklichkeit herzustellen. Wiederholbarkeit, Regelmäßigkeit und Stabilität der sozialen Realität existieren nicht an sich, sondern sind fragiles Produkt der Alltagshandelnden. Ihr Interesse gilt den Grundregeln ("basic rules") dieses Prozesses. Es ist der Versuch, auf empirischem Wege der transzendentalphilosophischen Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Realitätserkenntnis und -konstitution nachzugehen. Konsequenterweise muß die Untersuchungsmethode bei diesen Ansätzen ebenfalls verändert werden. Der quantitativen, mit von außen gesetzten Variablen arbeitenden Sozialforschung sind damit Grenzen gezogen. Der Prozeß der Quantifizierung und Operationalisierung, die Subjekt-Objekt-Relation werden neu reflektiert und durch "qualitative Verfahren" ersetzt. 5 Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen 6, was aber nicht darüberhinwegtäuschen sollte, daß auf der "anderen Seite" die Tendenz zu immer abstrakteren Konzepten und methodisch-statistischen Verfeinerungen weitergeht 7. Bezeichnenderweise wird das Thema gerade dann aktuell, wenn von anderer Seite die Destruktion der Lebenswelt und der Individuen beschrieben oder gar die Abdankung des Subjekts gefeiert wird. Nicht das erste Mal tritt die Eule der Minerva ihren Flug am Abend an. Sofern wir uns von solchen Totalverurteilungen nicht blind machen lassen, wird unser Blick frei für die Ambivalenz, die in diesem Thema von Lebenswelt und Alltag steckt: einerseits fungiert der Alltag als kritische Instanz gegen theoretisch-wissenschaftliche Konstrukte und institutionelle Überfremdungen des Lebens; andererseits wird der Alltag selbst zum Gegenstand der Kritik, seine Selbstverständlichkeiten gerade in Frage gestellt. Im Folgenden werde ich jedoch diese sozialwissenschafflichen und psychologischen Ansätze nur streifen. Mein Interesse gilt eher den philosophischen Wurzeln, denen diese fachwissenschaftliche Betrachtungsweise entstammt. Und auch hier werde ich mich auf den phänomenologischen Strang beschränken, denn Edmund Husserl und sein soziologischer Interpret Alfred Schütz sind nicht die einzigen Quellen, aus denen die alltagstheoretischen Ansätze schöpfen konnten: neben Mead und dem Pragmatismus, wären da noch die sprachtheoretischen Überlegungen in der Nachfolge des späten Wittgenstein zu nennen. 8 Die Einschränkung ist mehrfach motiviert: zum einen geht es in diesem Referat auch um eine Einführung in die Phänomenologie, zum anderen hat Husserl den Begriff der Lebenswelt nicht nur als Sonderproblem einer Wissenschaft geprägt, sondern sie zum philosophischen Universalproblem erklärt. Mit dem Rückgang auf die Lebenswelt und korrelativ auf die lebensweltliche Anschauung will er den, dem "Objektivismus" verfallenen neuzeitlichen Wissenschaften nicht nur ihre Lebensbedeutsamkeit zurückgeben - denn gerade das Vergessen der Lebenswelt als dem Boden und Horizont, von dem jede wissenschaftliche Konstruktion ausgeht und auf den sie zurückweist, ist ihm für die Krise der neuzeitlichen Wissenschaften verantwortlich. Es geht ihm darüberhinaus um die Rehabilitierung der Philosophie als universaler Vernunftwissenschaft, die in der Beschreibung einer Ontologie der Lebenswelt, den Wissenschaften erst ihre Ermöglichung als spezifische menschliche Zweckgebilde freilegt und auch allen historisch-relativen Lebenswelten ihre invariante Struktur vorhält. Sein Programm findet in dem Versuch, diese letzte Vorgegebenheit der Lebenswelt, selbst noch einmal als eine konstitutive Leistung der transzendentalen Subjektivität zu begreifen, seinen Höhepunkt. |
II. Phänomenologische Grundbegriffe
Die Phänomenologie ist wesentlich eine bestimmte Art des Fragens, zeigt primär einen Methodenbegriff an. Mit der Parole: "zurück zu den Sachen selbst!" wollte Husserl um 1900 die Verkrustungen und Engführungen des philosophischen Fragens aufbrechen. "Das gilt einmal für die positivistische Verkürzung der Erfahrung, die in elementaren Sinnesdaten einen sicheren Anhalt zu finden hoffte; das gilt ferner für die intellektuellen Konstruktionen, vor allem die des Neukantianismus, die sich wie ein 'Ideenkleid' über die Dinge legten; das gilt schließlich für die historische Entmachtung der Vernunft" (Waldenfels, 1979, S.11). So ist die Phanomenologie nicht eine Angelegenheit des Entwerfens oder Beherrschens, sondern das Vermögen des Vernehmens. "Vernünftig oder wissenschaftlich über Sachen urteilen, das heißt (...), sich nach den Sachen selbst richten, bzw. von den Reden und Meinungen auf die Sachen selbst zurückgehen, sie in ihrer Selbstgegebenheit befragen und alle sachfremden Vorurteile beiseitetun." (Husserl, Ideenl, S.35) Der Ausdruck "Phänomenologie" hat zwei Bestandstücke: Phänomen und Logos. An ihnen kann der formale Phänomenologie-Begriff gewonnen werden. Phänomen (griech. phainomenon) heißt: "das Sich-an-ihm-Selbstzeigende, das Offenbare" (Heidegger, SZ, S.26). Das Sichzeigende fundiert auch noch den "Schein". "Nur sofern etwas überhaupt seiner Struktur nach prätendiert, sich zu zeigen, d.h. Phänomen zu sein, kann es sich zeigen als etwas, was es nicht ist, kann es 'nur so aussehen wie ...'"(ebd. S.29) 9. Wird unter dem Sichzeigenden das Seiende, das durch empirische Anschauung Zugängliche verstanden, wie es die positiven Wissenschaften thematisieren, so bewegen wir uns im Raum des vulgären Phänomenologiebegriffs. Demgegenüber sind Phänomene der Phänomenologie gerade solche, die an den vulgär verstandenen Erscheinungen unthematisch, aber vor- und mitgängig bleiben: z.B. bei der Wahrnehmung eines Dinges sind wir immer schon beim "Ding", ohne zu "sehen", wie es uns im Akt der Wahrnehmung gegeben ist und sich als Identisches durch die Mannigfaltigkeit von Perspektiven durchhält. Wir kommen darauf zurück. Nun geht es darum, durch Bestimmung dessen, was in der phänomenologisch verfahrenen Philosophie Husserls verhandelt wird, den eingeführten Phänomenologiebegriff zu ent- formalisieren.10 Der thematische Gegenstand Husserls ist das Bewußtsein mit seinen Akten und Erlebnisweisen und demjenigen, was in diesen Bewußtseins-Akten gegenständlich bewußt ist. Akt und Gegenstand stehen aber nicht zufälligerweise als zwei Themen nebeneinander, sondern sind notwendig aufeinander bezogen. Bewußtsein ist immer Bewußtsein von etwas, ist intentional auf einen Sinn gerichtet. Intentionalität heißt, daß all unsere Erlebnisakte in sich selbst auf wiederholbare Sinngestalten bezogen sind. Es steht uns keine fertige Welt gegenüber, die der Geist lediglich reproduziert. Im "welterfahrenen Leben" vereinigen sich Welt und Bewußtsein zu einem konstitutiven Geschehen. In der "natürlichen Einstellung" bin ich mir einer Welt bewußt: "ich finde sie unmittelbar anschaulich vor, ich erfahre sie. Durch Sehen, Tasten, Hären usw.., in den verschiedenen Weisen sinnlicher Wahrnehmung sind körperliche Dinge (...) für mich einfach da." (Husserl, Ideen I. S.48) Das wache Bewußtsein befindet sich allzeit, und ohne es ändern zu können, "in Beziehung auf eine und selbe, obschon dem inhaltlichen Bestande nach wechselnde Welt" (ebd.S. 50) Diese korrelative Bewußtseinsanalyse geht über den o.g. vulgären Phänomenologiebegriff hinaus, sie bleibt nicht versunken bei den Sachen, sondern thematisiert ihre Gegebenheitsmodi und ihre Wesensstrukturen. Durch letztere gewinnt die Vielfalt der Phänomene, die - wie Husserl sagt - einen Herakliteischen Fluß darstellt, ihre relative Festigkeit und legt unserer Erfahrung typische Regelungen auf. Gewonnen werden sie in einem Verfahren der "eidetischen Variation?; von einem anschaulichen, individuellen Gegenstand ausgehend, wird dieser in immer neuen Varianten abgehandelt, bis sich die invariante Struktur aufzeigen läßt, die sich durch alle phantasierten Möglichkeiten durchhält. Wir werden später sehen, wie Husserl mit diesem Verfahren die invariante, apriorische Struktur der Lebenswelt gewinnen will, in der alle historisch-konkreten Lebenswelten als Möglichkeiten eingezeichnet sind. Bisher haben wir etwas sehr wesentliches und vielleicht auch irritierenden Moment der Husserlschen Phänomenologie außer Acht gelassen. Um wirklich Philosophie, in radikaler Selbstbesinnung und -verantwortung treiben zu können, benötige ich einen unbezweifelbaren Ausgangspunkt. Dieses fundamentum inconcussum findet Husserl im ego cogito. Das bedeutet einen Bruch mit der "Generalthesis der natürlichen Welteinstellung" , die immer schon eine daseiende Welt voraussetzt. In jedem Akt der Form, daß etwas so oder so ist, artikuliere ich ein Urteil über die Existenz dieses etwas. In einem methodischen Zweifel, durchaus in cartesianischer Tradition, setze ich diese Existenzbehauptung außer Geltung, ich "klammere" sie ein. Doch ist von dieser Epoché oder Reduktion, wie Husserl diesen Vorgang nennt, nicht nur dieser oder jener Gegenstand betroffen, sondern die Welt als Ganzes. Damit verschwinden nicht meine Urteile, meine Wahrnehmungen und deren "Gegenstände", ich enthalte mich nur der Aussage über Sein oder Nichtsein dieser Dinge und betrachte sie als Elemente innerhalb meines strömenden Bewußtseinslebens. Es bleiben "intentionale Gegenstände", so wie sie in direkter Ausweisung meinem Bewußtsein gegeben sind. Dies hat nichts mit Skeptizismus oder Agnostizismus zu tun. Durch die Epoché wird im Gegenteil der Blick frei für die Reflexion auf die Selbstverständlichkeiten, die in der natürlichen Welteinstellung unthematisch bleiben. "Es ist hierbei zu beachten: So wie das reduzierte Ich kein Stück der Welt ist, so ist umgekehrt die Welt und jedes weltliche Objekt nicht ein Stück meines Ich, nicht in meinem Bewußtseinsleben als dessen reeller Teil (im Gegensatz zu Erlebnissen - R.S.), als Komplex von Empfindungsdaten oder Akten reell vorfindlich. Zum eigenen Sinn alles weltlichen gehört diese Transzendenz, obschon es den gesamten es bestimmenden Sinn, und mit seiner Seinsgeltung, nur aus meinem Erfahren, meinem jeweiligen Vorstellen, Denken, Werten, Tun gewinnt und gewinnen kann." (Husserl, CM, S.27f) 11 Nun erst haben wir, so Husserl, den Raum absoluter Voraussetzungslosigkeit erlangt: das ego cogito und seine intentionalen Gegenstände sind zweifelsfrei gewiß, haben apodiktische Evidenz. Hiervon zu unterscheiden ist die adäquate Evidenz. In der vorwissenschaftlichen Erfahrung haben wir unvolkommene Evidenzen, das "besagt dabei in der Regel Unvollständigkeit, Einseitigkeit, relative Unklarheit in der Selbstgegebenheit der Sachen oder Sachverhalte, also Behaftung der Erfahrung mit Komponenten unerfüllter Vormeinungen und Mitmeinungen. Vervollkommnung vollzieht sich dann als synthetischer Fortgang einstimmiger Erfahrungen, in der diese Mitmeinungen zur erfüllenden wirklichen Erfahrung kommen" (ebd. S.16). Die Idee der Vervollkommnung, die z.B. bei der Dingwahrnehmung prinzipiell im Unendlichen liegt, wäre die der adäquaten Evidenz. Untersuchen wir einmal die "äußere Wahrnehmung" : Einen Gegenstand sehen heißt, ihn entweder marginal im Gesichtsfeld haben oder ihn zu fixieren. Doch das "Ruhen" des Blicks ist nur eine Modalität seiner Bewegung: "das Forschen des Blicks, der eben alle Gegenstände überflog, setzt sich nunmehr innerhalb des einen Gegenstandes fort; in ein und derselben Bewegung erschließt sich der Gegenstand und verschließt sich seine Umgebung.(...) Genauer gesprochen kann der Innenhorizont eines Gegenstandes nur selbst Gegenstand werden, indem die umgebenden Gegenstände zum Horizont werden." (Merleau-Ponty PdW, S.92) 12 Da der Erlebnisstrom nie nur aus Aktualitäten bestehen kann, ist er durchsetzt von unthematischen Hintergrundannahmen. Die Struktur von Entbergung-Verbergung bewirkt, daß mir ein Wahrnehmungsding nur in Abschaltungen gegeben ist. Halten wir hier inne: diese tour d'horizont sollte nur einige wichtige Stichworte der Phänomenologie, dieser "unabschließbaren Arbeits-Philosophie", vorstellen. In ihrer bisher etwa 8o-ig jährigen Geschichte hat sie viel Kritik und Veränderungen aus den eigenen Reihen erfahren. Gerade ihr Selbstverständnis als transzendentale Phänomenologie, die "Einklammerung" (Epoche) der ganzen Welt und des empirischen Ichs, der Rückgang auf ein prämundanes Ur-Ego ist von vielen Nachfolgern nicht mitvollzogen worden. Wie weit man auch mitgehen vermag: als Theorie der Erfahrung, die aus der Erfahrung schöpft, in steten Schritten der "Rückfrage" Selbstverständlichkeiten unseres Zur-Welt-seins aufdeckt, hat sie den Boden unseres "welterfahrenen Lebens" nicht verlassen. Die Welt, wie sie sich uns in der Vielfalt der Erlebnisweisen zuwendet, ist die Welt nach deren Sinngenese die Phänomenologie fragt, und auf der alle wissenschaftlichen Konstruktionen aufruhen. |
III. "Die Krisis der europäischen Wissenschaften"
"Ich versuche zu führen, nicht zu belehren, nur aufzuweisen, zu beschreiben, was ich sehe."
Edmund HUSSERL
Wenn alles verantwortliche philosophische und wissenschaftliche Forschen seinen Ausgang nehmen muß von der unvoreingenommenen Erfahrung, so gewinnt die "natürliche Welteinstellung", die Doxa, eine bedeutsame Umbewertung: "Als wirklich seiend gilt im Leben, also in dieser Welt, was sich durch Erfahrung bezeugt" (K 463). Das intentionale Korrelat der natürlichen Erfahrung ist die "Lebenswelt". Sie ist der Horizont für alle bestimmten Zwecksetzungen der Menschen, ständig in einer Bewegung der Geltungsrelativität und Bezogenheit auf die miteinander Lebenden. So scheint sie, nur relative Wahrheiten zu beinhalten, dem Subjektivismus zu verfallen; demgegenüber die Wissenschaften die "wirkliche Welt" beschreiben und so absolut, objektive Wahrheiten verbürgen. Doch wie kommt diese Wissenschaft zu ihren "an sich seienden Wahrheiten", wenn der primäre Ort der Wahrheit sich dem Subjekt in originärer Anschauung enthüllt ? Dies ist eins der Probleme, denen Husserl in seinen Prager Vorträgen von 1935 nachging. 13 Der in Anspruch genommene Rückgang auf die Lebenswelt verdankt sich bereits einer aktiven Leistung: "Wollen wir also auf eine Erfahrung in dem von uns gesuchten letztursprünglichen Sinne zurückgehen, so kann es nur die ursprüngliche lebensweltliche Erfahrung sein (...) Und dieser Rückgang ist kein solcher, der einfach die Welt unserer Erfahrung hinnimmt, sondern er verfolgt die in ihr bereits niedergeschlagene Geschichtlichkeit auf ihren Ursprung zurück". (Husserl, EU, S.43f) "Die Konzeption (der) Idee eines rationalen unendlichen Seinsalls mit einer systematisch es beherrschenden Wissenschaft" (K 19). Maßstäblich hierfür war die Mathematik, die zu einer Umbildung der Naturwissenschaften führte, zur "Mathematisierung der Natur". Was ist deren Sinn? In der alltäglichen Anschauung ist uns die Welt subjektiv-relativ gegeben. Uns gelten die Erscheinungen als das wirklich Seiende. Die Diskrepanz der Seinsgeltungen erfahren mir im lebendigen Umgang mit Anderen. Doch glauben wir notwendig an die eine Welt mit denselben, uns nur verschieden erscheinenden Dingen. Haben wir nicht so, zumindest eine leere Idee von an sich seienden, objektiven Dingen? Sehen wir genauer: In der anschaulichen Umwelt erfahren wir, einmal abgesehen von ihren kulturellen Bedeutungen, die Dinge als raumzeitliche Körper. Wir können sie in der Phantasie variieren, doch "die Phantasie kann sinnliche Gestalten nur wieder in sinnliche Gestalten verwandeln. Und dergleichen Gestalten (...) sind nur denkbar in Gradualitäten: des mehr oder minder Geraden, Ebenen, Kreisförmigen."(K 22) Die Dinge stehen überhaupt, was ihre Identität und ihre Eigenschaften angeht, im Schwanken des bloß Typischen. "Praktisch gibt es (...) hier ein Vollkommenes schlechthin in dem Sinne, daß das spezifisch praktische Interesse dabei eben voll befriedigt ist" (ebd.). Blicken wir noch einmal zurück: Die Methodik der operativen Bestimmung von "idealen Gestalten" weist zurück auf die "schon in der vorwissenschaftlichen Welt geübten Praxis des messenden Bestimmens. Aus ihr wurden elementare Grundgestalten "idealisiert" (Gerade, Kreise usw..), aus denen wieder komplexere Bestimmungen abgeleitet werden konnten. Nehmen wir das Beispiel einer Mauer: es ist eine gerade Mauer, aber könnte nie so genau sein wie die Idee einer "Strecke" im mathematischen Sinne. Nehmen wir sie dennoch als "Strecke", so gewinnt sie durch ihre Ungenauigkeiten - gemessen am Ideal -des Charakter des Defizitären. Vermessen wir diese Mauer, und dies ist der Prozeß, in dem Idee und Anschauung in Verbindung treten, so benötigen wir "Maßeinheiten". Die "Mauer abschreiten" konstituiert vage, subjektabhängige Messungen. Mit einem Stock, dessen Länge wir als Meter definieren, gewinnen wir schon eine gewisse Unabhängigkeit. Im Idealisierungsprozeß wird uns dieser Stab zum Exempel des "Meters an sich". Auch das "Urmeter" ist gemessen an der Idee des "Meters" nur ein unexaktes Exemplar, wir machen uns eine Zeichnung der Mauer bzw.. des Gebäudes, eine Bauzeichnung mit den "Strecken" und den "Maßzahlen" und erhalten ein sinnliches Modell eines ideellen Konstruktes. Hieran können wir weitere Bestimmungen vornehmen: z.B., daß die gegenüberliegende Mauer gleich lang ist, A=A; oder, daß das Haus halb so hoch ist wie die Mauer lang, 1/2A=H usw.. In diesem Prozeß liegt eine doppelte Abstraktion: zum einen wird das messende Subjekt gleich-gültig und andererseits wird die Meßhandlung zu einer mentalen Operation. (vgl. Sokolowski, 1979) Durch die Konstruktion elementarer Grundgestalten und Maßeinheiten eröffnet sich die Möglichkeit, "alle überhaupt erdenklichen idealen Gestalten in einer apriorischen, allumfassenden systematischen Methode konstruktiv eindeutig zu erzeugen" (K 24). Die Geometrie idealisiert aber lediglich die "Formen" (raum-zeitliche Anordnung), in der uns konkrete Dinge begegnen. Diese zeichnen sich ebenso durch ihre "sinnliche Fülle" aus, das was sich in den spezifischen Sinnesqualitäten, Farbe, Ton, Geruch u.a. darstellt. Zudem haben Dinge der anschaulichen Welt ihre "Gewohnheiten", sich unter ähnlichen Umständen ähnlich zu verhalten. Dieser "universale Kausalstil" macht Induktionen, Voraussagen möglich, bleibt aber im vorwissenschaftlichen Leben ebenfalls im Ungefähren, Typischen. Was wir hier als Farben, Töne, Wärme, als Schwere an den Dingen selbst erfahren/erleben, kausal als Wärmestrahlung eines Körpers, der die umgebenden Körper warm macht, das zeigt sich "physikalisch" als Tonschwingungen, Wärmeschwingungen, also "reine" Vorkommnisse der Gestaltwelt. Die spezifischen Sinnesqualitäten, die "sinnlichen Füllen", verweisen als Indizes auf bestimmt zugehörige Gestaltkonstellationen und Geschehnisse. Dh. die spezifisch qualitativen Vorkommnisse werden "indirekt mitmathematisiert". So wurde auch die je typische "Gewohnheit" der Dinge idealisiert. Doch nicht durch je individuelle Analyse des anschaulich Gegebenen, sondern durch den Vorentwurf einer alles regelnden, universalen Kausalität, die durch die eindeutige Bestimmung der Dinge ebenfalls als exakt definiert werden kann. Durch Bestimmung idealer Gestalten und Eigenschaften, geregelt nach dem Gesetzt exakter Kausalität und entsprechender Maßeinheiten, konnte die Geometrie "praktisch" werden. Die Messung hat den "Sinn einer Approximation auf einen zwar unerreichbaren, aber ideal-identischen Pol, nämlich auf eine bestimmte der mathematischen Idealitäten bzw.. des ihnen zugehörigen Zahlengebilde" (K 40). Die Mathematisierung der Welt ergibt Zahlenformeln, die allgemeine kausale Zusammenhänge, Gesetze realer Abhängigkeiten in Form von "funktionalen" Abhängigkeiten zahlenmäßig ausdrücken. Die Struktur des "immer wieder", der unabschließbaren Approximation und Entsubjektivierung überträgt sich auf die Theoriebildung selbst: Die "Gesetze" der Physik bleiben Hypothesen in einem unendlichen Fortgang van Bewährungen und Modifikationen, gedacht als historischer, unvollendbarer Annäherungsprozeß an die "an sich seiende Natur". Aber auch intern geht der Idealisierungsprozeß weiter: Die "reinen Gestalten" der Geometrie werden in Zahlen-Formeln "transformiert". Wir hatten oben ein extrem einfaches Beispiel der Proportionsbildung (l/2 A=H). Die "Arithmetisierung der Geometrie führt wie von selbst in gewisser Weise zur Entleerung ihres Sinnes.(...) Man rechnet, sich erst am Schluß erinnernd, daß die Zahlen Größen bedeuten sollten" (K 44). In der formalen Logik und Logistik wird die Sinngestalt des "Etwas überhaupt" konstruiert, die höchste Ab-straktionsstufe eines Formalisierungsprozesses. In der "Technisierung" (techne: bei Husserl als "Kunstlehre") der Methode wird sie zur "bloßen Kunst, durch eine rechnerische Technik nach technologischen Regeln Ergebnisse zu gewinnen, deren wirklicher Wahrheitssinn" verlorengeht.(K 46) Das wichtigste Charakteristikum an diesem Idealisierungs- und Formalisierungsprozeß ist die Unterschiebung dieser so gewonnenen "an sich seienden Welt" unter die wirklich erfahrene anschauliche Lebenswelt. Husserl spricht auch von der Substruktion des Logischen unter die Anschauung. Der Lebenswelt wird gleichsam ein "Ideenkleid", das der sogenannten objektiv-wissenschaftlichen Wahrheiten, überworfen. Damit werden natürlich die Ergebnisse dieser Wissenschaften nicht "falsch". Es geht Husserl gerade darum, daß sie trotz ihrer Wirkmächtigkeit ihren Lebenssinn verloren haben. Wir werden noch darauf zurückkommen, deshalb nur die Anmerkung, daß Husserl für seine Untersuchungen die Konstrukte und Seinssetzungen der Naturwissenschaften "einklammert", Epoché im o.g. Sinne übt. Nur so kann er ihre "Sinngenesis" aufzeigen. Die Naturwissenschaften in der Nachfolge Galileis verloren ihr Selbstverständnis als spezifisches Zweckgebilde der Menschen, hervorgewachsen aus dem vorwissenschaftlichen Leben und seiner Umwelt, dem sie von Anfang an dienen sollten. Diese Zwecksetzung liegt doch im Horizont dieser Lebenswelt, sie ermöglicht es erst Zwecke zu setzen. "Der in dieser Welt lebende Mensch, darunter der naturforschende, konnte alle seine praktischen und theoretischen Fragen nur an sie stellen, theoretisch nur sie in ihren offen unendlichen Unbekanntheitshorizont betreffen" (K 50). "Das Ideenkleid macht es, daß wir für wahres Sein nehmen, was eine Methode ist." (K 52) Die Folgen dieses Vergessens der Lebenswelt zeigen sich besonders im naiven "Objektivismus" der nachfolgenden Entwicklung. In der Reduktion der Welt auf pure Körperlichkeit wurde von den Subjekten als Personen, "von allem in jedem Sinne Geistigen, von allen in der menschlichen Praxis den Dingen zuwachsenden Kultureigenschaften" (K 60) abstrahiert. Das Komplement zur Natur als in sich abgeschlossener Körperwelt war eine "weltlose Seele". Natur und seelische Welt sind im cartesiamischen Dualismus von "res extensa" und "res cogitans" durch einen Hiatus getrennt. Die intentionale Struktur des Bewußtseins bricht auseinander und das Thema der Erkennbarkeit der "äußeren Realität" wird zu einem philosophischen "Dauerbrenner". Alsbald geriet jedoch auch die "Seele" ins Netz der physikalistischen Naturkonzeption. Die "Naturalisierung der Seele" findet sich von Hobbes, über Locke, ausgehend bis zum "szientifischen Selbstmißverständnis der Psychoanalyse" (Habermas). Auch die "kognitive Wende" in der akademischen Psychologie wechselt nur vom mechanischen ins systemtheoretische Interpretationsparadigma. Das Psychische, das Personale bleibt eingereiht unter die Ordnung der Dinge. Mit zunehmender Erkenntnis der "Natur" gewinnt der Mensch auch zunehmend Herrschaft über seine praktische Umwelt, über andere Menschen und sich selbst. "Der Mensch ist so wirklich Ebenbild Gottes." (K 67) Doch bereits im Skeptizismus Humes und mehr noch in der "kopernikanischen Wende" Kants sieht Husserl Anstöße das "objektivistische Vorurteil" der neuzeitlichen Philosophie und Wissenschaft aufzubrechen und den Blick zurückzuwenden auf die fundierenden Leistungen der Subjektivität.14 |
IV. Zum Problem der historischen Rückfrage
Erinnern wir noch einmal: Wahrheit heißt bei Husserl, etwas in evidenter Weise zur Selbstgegebenheit kommen lassen. Die Anschauung ist das Letztfundierende der Erkenntnis. Die Sinnentleerung der modernen Wissenschaften liegt darin, daß sie nicht mehr auf den "Ursprungssinn" all ihrer Konstrukte zurückfragt. Das Vergessen ihrer lebensweltlichen Voraussetzung, der Objektivismus der Wissenschaften führte zu einer Sinnsedimentierung, zu Verwerfungen und Verschiebungen. Dieses Miteinander von ursprünglicher Sinnbildung und Sinnsedimentierung ergibt die Notwendigkeit der historischen Betrachtung. "Das Problem der echten historischen Erklärung fällt bei den Wissenschaften mit der 'erkenntnistheoretischen' Begründung oder Aufklärung zusammen." (K 381) Der Bezug auf die Geschichte ist das eigentlich Neue im Husserlschen Spätwerk. In ihr sieht er eine einheitliche Entwicklung angezeigt: Doch diese sich entbergende Vernunft war stets auch eine sich verbergende. Intention und Erfüllung kamen nie zur Deckung. Schaut man genau hin, so liegt hier eine merkwürdige Doppelung der Struktur Intention-Erfüllung vor. Die Intention selbst wird nochmals aufgespannt in der Frage, inwiefern sich die Intention als Intention erfüllt.15 "Solche Art der Rückfrage auf die Weisen, wie fortlebende Ziele immer wieder neuversuchte Erzielungen mit sich führen und immer wieder durch Unbefriedigung die Nötigung, sie zu klären, zu bessern (...), umzugestalten - das ist (...) echte Selbstbesinnung des Philosophen", zugleich Weiterführung der Selbstbesinnung der "Altvorderen"(K 73). Daß alle Selbstverständlichkeiten, philosophischer oder wissenschaftlicher Art, Vorurteile sind, erwachsen aus Unklarheiten traditioneller Sedimentierungen, gilt es für den "Selbstdenker", den "autonomen Philosophen" zu erkennen. Worauf die Vernunft als das Spezifische des Menschen hinauswill ist die Idee der Autonomie, die Selbstregierung. Dem dient die Selbstbesinnung. Das Erkennen dieses letzten Selbstverständnisses hat "keine andere Gestalt (...) als Selbstverständnis nach apriorischen Prinzipien,(...) in Form der Philosophie"(K 276). "Die universal apodiktisch begründete und begründende Wissenschaft entspringt nun als notwendig höchste Menschheitsfunktion, die der Ermöglichung ihrer Entwicklung zu einer personalen und zu einer allumspannenden menschheitlichen Autonomie" (K 273). In diesem Sinne war die bisherige Philosophie ein Weg zur "Transzendentalen Phänomenologie" - ein Gedanke, der zumindest formal dem Hegelschen recht ähnlich ist. So ist auch zu verstehen, daß Husserl seine historischen Analysen nicht als Ideengeschichte oder als historistische Tatsachensammlung versteht. Auch die Selbstinterpretationen der Philosophen und Naturforscher sind nicht frei von Verzerrungen, stehen im Bann tradierter Sinnverschiebungen. Das bloß Spätere ist auch nicht schon das Wahrere. So befinden wir uns in einer Art "Zirkel" ,"relative Klärung auf der einen Seite bringt einige Erhellung auf der anderen" (K 59). Die historische Besinnung ist nicht nur Vergegenwärtigung , sondern "Geschichtskritik". "Wesensmäßig aber gehört zu jeder Urstiftung eine dem historischen Prozeß aufgegebene Endstiftung. Diese ist vollzogen, wenn die Aufgabe zur vollendeten Klarheit gekommen ist, und damit zu einer apodiktischen Methode, die in jedem Schritte der Erzielung der ständige Durchgang ist für neue Schritte, die den Charakter von absolut gelingenden haben"(K 73). Nur eine Wissenschaft, die dies für sich in Anspruch nehmen kann enthüllt das wahre Sein, womit ihr auch ihre Lebensbedeutsamkeit zurückgegeben ist. Wissenschaft begreifen heißt nicht, sie als fertiges Erbe in Form dokumentierter Sätze nehmen, es bedarf einer Aktivität der Wiedererinnerung, "in der das vergangene Erleben guasi neu und aktiv durchlebt wird." (K 370) Wenn Husserl so der "Sinngenesis" wissenschaftlicher und philosophischer Theoriebildung nachgeht, sich zurückarbeitet durch die Sinnschichten, dann kann er die Seinssetzungen der Wissenschaft nicht als geltend hinnehmen. Er befragt sie ja gerade und muß demnach Epoché üben oder, wie Habermas es neudeutsch ausdrücken würde, er virtualisiert ihre Geltungsansprüche. Was Husserl demgemäß treibt ist "Intentionalitätshistorie" (vgl. Ströker, 1979,S.112ff). Auch hier waltet das "universale Korrelationsapriori". Was Husserl als historische Sinngebilde und -strukturierungen enthüllt, hat sein Gegenüber in der transzendentalen Geschichte der Subjektivität, insofern sie ihre Genesis gar nicht anders hat, denn als Werden kraft ihrer sinnstiftenden Leistungen ( vgl.ebd. S. 113). |
1 vgl. Hammerich/Klein (Hrsg.): Materialien zur Soziologie des Alltags, KZfSS Sonderheft 20/1978; Leithäuser, T.: Formen des Alltagsbewußtseins, Frankf.1976; Hack, L.: Subjektivität im Alltagsleben, Frankf.1977; Goffman, E.: Interaktionsrituale, Frankf. 1976; Leithäuser, Volmerg u.a.: Entwurf zu einer Empirie des Alltagsbewußtseins, Frankf. 1977; zur sozial-historischen Forschung; Lüdtke, A.: Alltagswirklichkeit. Lebensweise und Bedürfnisartikulation, in: Gesellschaft 11, 1978, S.311-35o 2 vgl. Arbeiten E.Goffmans, sowie den Sammelband: AG Bielefelder Soziologen: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Reinbek 1973, zu Mead vgl. Joas: Praktische Subjektivität, Frankf.1961 (eine Arbeit, die zeigt, wo Mead auch über den SI hinausgeht). Hack, L.(s.o.) 3 vgl. zur Übersicht: Weingarten, Sack, Schenkein (Hrsg.): Ethnomethodologie - Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns, Frankf.1976 4 Laucken, U.: Naive Verhaltenstheorie, Stuttg.1974, Fillipp (Hrsg.): Selbstkonzept-Forschung, Stuttg.1979 5 vgl. Cicourel, A.: Methode und Messung in der Soziologie, Frankf.1974; Hopf/ Weingarten: Qualitative Sozialforschung, Stuttg. 1979; Mertens, W.: Sozialpsychologie des Experiments, Hamburg 1975 6 zur Sozialpsychologie vgl. z.B. Israel/Tajfel: The context of social psychology, London 1972; Mertens/Fuchs: Krise der Sozialpsychologie?, München 1976 zur Sozialisationsforschung z.B. Edelstein/Keller (Hrsg.): Perspektivität und Interpretation, Frankf.1982 7 in der Pädagogischen Psychologie geht dies soweit, daß objektive Testverfahren gefunden wurden, die allen statistischen Anforderungen genügen, aber praktisch nicht realisierbar sind. vgl. zur Übersicht U.Kritik Grubitzsch/Rexilius: Testtheorie-Testpraxis. Reinbek 1976 8 vgl. Winch, P.: Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur Philosophie, Frankf. 1974 9 Heidegger grenzt hiervon noch einmal die "Erscheinung" ab. "Erscheinen ist ein Sich-nicht-zeigen.(...) Erscheinen ist das Sich-melden durch etwas, was sich zeigt"(SZ, S.29). So z.B. Krankheitserscheinungen: die Krankheit zeigt sich selbst nicht, sondern was sich zeigt als Indikator sind Symptome. Wichtig ist, daß Husserl Erscheinung so nicht gebraucht, sondern den Begriff mit dem Sichzeigenden, Offenbaren gleichsetzt. 10 vgl. Herrmann, F-W. v. ( 1981), der von Heidegger her argumentierend, Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen der Husserlschen Phänomenologie des Bewußtseins und Heideggers Daseinsanalytik kurz herausarbeitet. 11 Autgrund der Epoché ist die intentionale Bewußtseinsanalyse keine psychologische Fragestellung, da sich die Psychologie als Wissenschaft auf dem Boden der "natürlichen Welteinstellung" bewegt. 12 Wir zitieren Merleau-Ponty an dieser Stelle nur insoweit er mit Husserl übereinstimmt, bevorzugen jedoch seinen eher literarischen Stil. 13 Die Arbeit "Die Krisis der neuzeitlichen Wissenschaften und die Transzendentale Phänomenologie" besteht in ihrem Kern aus den Vorträgen, die Husserl 1935 in Wien und Prag gehalten hat, wurde von ihm ergänzt und teilweise veröffentlicht (Belgrad 1936). Eine endgültige abgeschlossene Fassung konnte er nicht mehr fertigstellen, so daß die Arbeit wie sie vorliegt ein Fragment bleibt. 14 Mit Kant endet auch der eher "historische" Teil und beginnt der "systematische", der sich den Problemen der Ontologie und Konstitution der Lebenswelt zuwendet. Beide Teile sind nicht explizit aufeinander bezogen, stammen aus verschiedenen Arbeitsschritten. 15 Diesen Hinweis verdanke ich Dr. Emil Angehrn (mittlerweile Prof.), an dessen Seminar zur "Krisis" ich an der FU in Berlin WS 82/83 teilnahm. |
BIEMEL, U. (1979) Zur Bedeutung von Doxa und Episteme im Umkreis der Krisis-Thematik, in: STRÖKER (Hrsg.) 1979, S.10-22 CLAESGES, U.(1972) Zweideutigkeiten in Husserls Lebensweltbegriff, zit. bei LANDGREBE, L.(1977) HEIDEGGER, M. (SZ) Sein und Zeit, Tübingen 1972 (Orig.1927) - (1971) Was heißt Denken?, Tübingen HERRMANN, F.-W.v.( 1981) Der Begriff der Phänomenologie bei Heidegger und Husserl, Frankf. HUSSERL, E. (1973) Ding und Raum / Vorlesung 1907, Den Haag - (Ideen I) Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Tübingen 1980 (Orig.1913) - (CM) Cartesianische Meditationen, Hamburg 1977 (Orig.1931) - (K) Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, Den Haag 1962 - (EU) Erfahrung und Urteil, Hamburg 1972 (Orig. 1939) JANS5EN, P.(1976) Edmund Husserl, Freiburg/München KERN, I.(1979) Die Lebenswelt als Grundlagenproblem der objektiven Wissenschaften und als universales Wahrheits- und Seinsproblem, in STRÖKER, E.(Hrsg.) 1979, S.68-78 LANDGREBE, L. (1939) Husserls Phänomenologie und die Motive zu ihrer Umbildung, in Ders.(1978) S.9-40 - (1940) Welt als phänomenologisches Problem, in Ders.(1978) S.41-62 - (1977) Lebenswelt und Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins, in: WALDENFELS (Hrsg.) Phänomenologie und Marxismus 2, Frankf.1977, 5. 13-58 - (1976) Der Weg der Phänomenologie, Gütersloh MERLEAU-PONTY.M. (PdW) Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966 (franz.Orig. 1945) - (AuG) Das Auge und der Geist, Reinbek 1967 RICOEUR, P.(1969) Die Interpretation, Frankf. (franz.Orig.1965) SOKOLOWSKI, R.( 1979) Exact Science and the WorId in Which We Live, in STRÖKER, E.(Hrsg.) 1979, S.92-106 STRÖKER, E.(1979) Geschichte und Lebenswelt als Sinnfundament der Wissenschaften in Husserls Spätwerk, in Dies.(Hrsg.) 1979, S.107-123 STRÖKER, E. (Hrsg.) ( 1979) Lebenswelt und Wissenschaft in der Philosophie Edmund Husserls, Frankf. WALDENFELS, B.( 1975) Intentionalität und Kausalität, in Ders.(1960) S.98-125 - (1978) Im Labyrinth des Alltags, in Ders.(Hrsg.) Phänomenologie und Marxismus 3, Frankf.1978, S.18-44 - (1979) Aktuelle Fragen der Phänomenologie, in Ders.(1980) S.11-28 - (1979a) Die Abgründigkeit des Sinns. Kritik an Husserls Idee der Grundlegung, in STRÖKER, E. (Hrsg.) 1979, S.124-142 - (1980) Der Spielraum des Verhaltens, Frankf. WILSON, P.T.(1960) Theorien der Interaktion und Modelle soziologischer Erklärung, in AG Bielefelder Soziol.(Hg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd.1, Reinbek 1973, S.54-79. ..
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