"Kratze an jedem beliebigen Wort und du findest eine Metapher." Gamm (1992, 76) "Metaphern
sind Doppelgänger, ihnen eignet die Fähigkeit,
heterogene Kontexte so miteinander zu verbinden, daß
Bedeutungen aus dem einen in den anderen übertragen
werden können - aber das wird nicht immer erkannt." |
Metaphern im psychoanalytisch-psychotherapeutischen Dialog *
Darstellung
der Arbeit von Michael B. Buchholz,
Die Metapher im psychoanalytischen Dialog (1997)
Psyche 1/99 545-571 nebst
einiger ergänzender Anmerkungen.
Rudolf Süsske
Dipl.-Psych.
Buchholz
leitet seinen Aufsatz mit einer Defizitanzeige ein:
"Was wir nicht kennen - der therapeutische Dialog"
(S.545 Seitenangeaben ohne Quelle beziehen
sich auf den o.g.. Text). Was während
psychoanalytischer Sitzungen wie geschieht,
wüßten wir - trotz intensiver wissenschaftlicher Bemühungen
- immer noch nicht. Dabei lenkt er unsere Aufmerksamkeit
auf die fragwürdige Gleichsetzung von professionellem
Handeln und Wissenschaft. Letztere befragt die Phänomene
auf ihren Allgemeinheitscharakter und ihre kausal-regelhafte
Verknüpfung hin, während es unsere Profession mit
individuellen , einzigartigen und instabilen Problemlagen
zu tun hat. Selbst H.H.Strupp, ein "Großmeister
empirischer Psychotherapieforschung", stellte 1996
fest:
So seien nicht nur Einzelfalluntersuchungen notwendig, es bedürfe auch theoretischer Anstrengungen, um eine allgemeine Theorie zu entwerfen, die dennoch den variablen Einzelfällen gerecht würde. In diesem Zusammenhang wird die Metapher bedeutsam. Im Gegensatz zur naturwissenschaftlich orientierten Forschung, in der die Objekte eindeutig (operational) bestimmt sind, haben wir zu akzeptieren, "daß wir über keine externen und definierten Untersuchungsobjekte verfügen" (Tuckett 1993, zit.546). Wenn wir über klinische Fakten sprechen, geraten wir umghend in Dispute über Theorien, die sich hinter den vermeintlichen facts verbergen.
Traditionell wäre mit dieser Aussage die Unwissenschaftlichkeit der Psychoanalyse bewiesen, doch setzt sich langsam die Erkenntnis durch, daß es keine strikte Trennung von Theorie und Fakten gibt. Wissenschaftsgeschichtlich gibt es aber einen erheblichen time-lag zwischen den Erkenntnissen der Wissenschaftstheorie und dem Selbstverständnis der Einzelwissenschaften.
Für Buchholz ist entscheidend, "was wir wie über unsere klinischen Erfahrungen denken, wie wir sie sprechend und kommunizierend organisieren" (546). Dieses Zitat verweist auf einen Transformationsprozeß: "Indem wir seelische Erfahrung in Worte zu fassen versuchen, fädeln wir sie in ein anderes System, das der Kommunikation, ein" (ebd.). Nie können wir die Fülle unserer Gedanken vollständig und zeitgleich kommunizieren. Die Kommunikation - das in Worte fassen - ist im Vergleich zur Geschwindigkeit der Gedanken höchst langsam, wählt aus, schattet ab - gehorcht anderen Regeln. Die Seele selbst spricht nicht. An dieser Stelle kommt Buchholz Rezeption systemtheoretischer Theorie ins Spiel. Wir können dies nur kurz andeuten: Luhmann geht in der Nachfolge von Maturana & Varela von einer strikten Trennung zwischen Bewußtsein (Psychisches System) und Kommunikation aus. Für beide gilt das Prinzip operationaler Geschlossensheit, dh. wir haben keinen direkten Zugang zu den Vorstellungen, Gedanken und Imaginationen der Anderen. Auf der Ebene der Bewußtseine / psychischen Systeme gibt es keinen Ausstausch, keine Einflußnahme. Letzteres kann nur ein Beobachter so nennen. Es handelt sich aber bei diesen Prozessen - nach Ansicht der Systemtheorie - um einen Vorgang, den diese "strukturelle Kopplung" nennt. Beim Wechsel der Systeme werden Vorstellungen & Gedanken zu Zeichen & Symbolen transformiert. Gänzlich verschieden, verweisen sie jedoch auf etwas Gemeinsames - einen Sinn. - Ich habe den Eindruck, daß Buchholz - obwohl er Luhmann zitiert - nicht ganz so weit geht, da er für Augenblicke "höchster Intensität" und "tiefstgehender Erfahrung" von einer Durchlässigkeit der "Grenze zwischen Psychischem und der Kommunikation" (547) spricht und auf die Nähe zu meditativen Praktiken hinweist. Dies seien vornehmlich Augenblicke des Schweigens. - Seine Beschreibung des Verhältnisses von Denken/Vorstellen/Erfahren zur Kommunikation erinnert eher an Merleau-Pontys reprise : aus dem beständig sich wandelndem Feld thematischer und unthematischer Gedanken und Empfindungen wird etwas hervorgehoben, motiviert ausgewählt und in eine Ausdrucksgestalt (Gestik, Mimik, Sprechen) transformiert. Wie dem auch sei, folgen wir dem Autor weiter: Sobald wir in der Therapie etwas sagen, zu sprechen beginnen, verwenden wir unweigerlich Metaphern. Freud z.B. schreibt in seinen Vorlesungen (1916-17) ziemlich nüchtern, zwischen Analysiertem und Arzt gehe nichts anderes vor als der "Austausch von Worten". (zit.547) Die Metapher
vom "Austausch" organisiert die klinischen
Fakten, hier: was ist bzw. wie funktioniert
ein psychoanalytischer Dialog. Der eine liefert das
Material, der/die Andere quittiert mit einer
Deutung. Doch so marktmäßig geht es selten zu. In der
Therapie wird auch betrogen, gekämpft, ertrotzt, mühsam
gerungen, verweigert und gebettelt. Um vermeintlicher Eindeutigkeit willen, wird üblicherweise die Forderung gestellt, Metaphern durch Begriffe zu ersetzen, denn nur Begriffe gelten als "Elemente einer (...) wahrheitsfähigen Rede" (549). Ob dem wirklich so ist, werden wir noch zu erörtern haben. Wir können aber festhalten, daß die Metapher uns "ein Wissen voraus (hat), das wir im Begriff immer erst einholen müssen, aber oft nicht erreichen.
Buchholz spricht ausdrüclich von Metaphern, nicht von Symbolen oder Allegorien. Gemeinsam ist ihnen das "doppelte Sprechen": sie sagen das eine und meinen das andere. Wenn ein Patient in die Stunde kommt und sagt, er habe sich viele Themen überlegt, jetzt sei es aber, als wäre ein Korken auf der Flasche 2 - so benutzt er ein Beschreibung aus dem Bereich (A) alltäglicher Gegenstände (Flasche & Korken), um ein Problem im Bereich (B) seiner kognitiven Leistungsfähigkeit in der Gesprächssituation zu benennen. - Symbole und Allegorien setzen eine zumeist eindeutige Übersetzungsleistung voraus, deren Regeln man beherrschen muß, um sie zu verstehen. "Bei Botticelli ist die nackte Schöne eine Allegorie des Frühlings". Wer dies nicht weiß, sieht nur einen weiblichen Akt dargestellt. Sah man im Mittelalter auf einem Bild einen Löwen und ein Lamm zusammen liegen, so war nicht nur die Schriftstelle Jesaja 11, 6-8 präsent: "Da wird sein der Wolf beim Lamm, und der Leopard wird beim Böcklein lagern (...) Der Löwe wird wie das Vieh Stroh fressen" etc. Das Bild ließ auch das messianische Zeitalter assoziieren und mit dem Lamm war - für den christlichen Leser - Jesus Christus präsent 3. - Ähnliches gilt von Freuds Traumsymbolen, denen eine eindeutige Regelhaftigkeit unterstellt wurde (z.B. Treppen steigen = Geschlechtsverkehr). Damit stand er in der Tradition antiker Traumbücher, von der er aber später - mit Blick auf die je individuellen Sinngestalten - Abstand nahm. C.G.Jung dagegen gibt den Symbolen einen quasi-ontologischen Status 4. Im Folgenden setzt sich Buchholz mit der psychoanalytischen Symboltheorie Alfred Lorenzers auseinander, um an ihr die Stärke seiner (kognitiv linguistischen) Metaphernkonzeption zu belegen 5. Zur Bestimmung seines Symbol-Verständnisses greift Lorenzer auf den Begriff der Repräsentanz zurück, der ein "innerpsychisches Triebobjekt" kennzeichnet, welches im Besetzungsvorgang ein äußeres Objekt vertritt. Symbole sind demnach:
Symbole ermöglichen ein reflexives Welt- und Selbstverständnis, also Probehandeln im Denken (instrumentelles und strategisches Handeln vorbereitend) und Durchsichtigkeit der eigenen Handlungsmotive. Bis zu diesem Punkt haben wir eine symbolvermittelte Sozialpsychologie vor uns, würde Lorenzer nicht die Bedeutung unbewußter Repräsentanzen - die er Klischees nennt - hervorheben. Klischees sind entwicklungsgeschichtlich Folge der Verdrängung von Symbolen. Verdrängung halbiert so den Sinn von Interaktionsformen, dh. Klischees wirken verhaltensdeterminierend (neurotisches Symptom, Wiederholungszwang, Übertragung), sind aber insofern unbewußt als sie dem sprachlich-symbolisch verfaßten Selbstverständnis entzogen bleiben. Sie sind exkommuniziert. Das Symbol kann aber auch in "entgegengesetzter" Richtung deformiert werden. Es wird emotional leer, zunehmend vom Bezeichneten und dem Hof der mitgemeinten Bedeutungen (Konotationen) isoliert (Abwehrmodi der Affektisolierung und Rationalisierung wären hierin begründet). Fassen wir das soeben Gesagte in ein Schaubild zusammen:
Aus dieser Übersicht sollte annäherungsweise deutlich werden, was Lorenzer mit dem Titel "Sprachzerstörung und Rekonstruktion" (1973) meint; neurotisches Leid ist in einem De-symbolisierungsprozeß hinterlegt, der in der Therapie wieder rückgängig gemacht wird. Das therapeutische Übertragungsgeschehen bedeutet eine erneute "szensiche Einführung in die Sprache". Wie Buchholz richtig bemerkt, schwebt Lorenzer das kommunikative "Ideal der Fähigkeit des Sagens und Mitteilens" (553) vor; wahre Verständigung und Selbstverständigung gründen in Versprachlichung, was jedoch zu einer "rationalistischen Schieflage (bias)" führt. Diesem
Konzept stellt Buchholz - wie erwähnt - die Ergebnisse
der kognitiven Linguitik Lakoffs & Johnsons
(1980) gegenüber, die von einer basalen Metaphorizität
der Sprache ausgehen..
Die Diskussion um die Metapher hat eine sehr lange Tradition, die bis in die Zeit des Streits um die Rhetorik zwischen sokratischen Philosophen und Sophisten zurückreicht. Bis heute erhält sich jedoch die Auffassung, die Metapher sei eine "Schmuckform literarischer Rede". Vereinfacht finden wir folgende Vorstellung: Es gibt eine vernunft- oder verstandesgemäße Wahrheit, ein Gedanke, eine Idee, die mittels Sprache kommuniziert wird. Die präzise, dh. begriffliche Sprache ist lediglich ein Vehikel, ein Instrument der Übermittlung 6. Transzendentale oder empirische Konstitutionstheorien arbeiten mit einem Set an Kategorien und/oder Schemata, deren Anwendung die Repräsentanz eines Gegenstandes oder Sachverhaltes hinreichend bestimmen lassen. Das Denken ist eindeutig dem Sprechen vor- bzw. Übergeordnet. Freud steht in seinen metapsychologischen Spekulationen noch in dieser Tradition, obgleich er neben der Sachvorstellung eine an diese gekoppelte Wortvorstellung etabliert. Die Doppelstruktur dieser Vorstellung(en) entspricht dem, was Lorenzer >Symbol< nennt. Geht aufgrund der Verdrängung die definitionsgemäß bewußte/vorbewußte Wortvorstellung verloren, so bleibt die unbewußte Sachvorstellung zurück, jedoch ohne ihre verhaltensdeterminierende Virulenz zu verlieren. Ohne Mühe erkennen wir Lorenzers >Klischee<. - Beide gehen von einer fragwürdigen Referenz-Semantik aus: dh. von einem Gegenstand oder Sachverhalt - dem Repräsentierten - auf der einen und einem Wort - dem Repräsentierenden - auf der anderen Seite 7. Ohne diese
Einleitung wird nicht deutlich, auf welchem Hintergrund
Buchholz der Theorie Lorenzers vorwirft, in ihr bedeuten
"Worte Namen für Sachen/ Vorstellungen" (553).
Das Wort scheint lediglich ein Etikett, ein Name zu sein, das/den man auswechseln kann - also "alter Wein in neuen Schläuchen". Doch folgt man dem Beispiel, so spürt man unschwer,
Gegen die Versprachlichung setzt Buchholz - mit Lakoff & Johnson - die Ver-bildlichung. Vor dem Begriff steht die Imagination, auf diese weist die Metapher hin, ohne sie zu ersetzen, dh. es gilt hier nicht das Prinzip der Substitution8. Die Metapher weist stets über sich hinaus, sie stellt nicht fest, sondern dar, dh. eröffnet eine Perspektive, eine Sicht auf ... "Metaphern deuten, sie deuten an, nicht hin" (1993, 8).
Buchholz versucht hier - sofern wir ihn richtig verstehen 9 - zweierlei: a) einerseits
will er die Trennung von Bewußtsein und Kommunikation
(i.S. Luhmanns) weitgehend aufrechterhalten, was sich in
der Formulierung "die Metapher (= Kommunikation)
>stehe< nicht >für< die Vorstellung /
Imagination (= Bewußtsein) 10"
zeigt; Kommunikation
zielt auf gemeinsam geteiltes, propositional 11
gefaßtes Wissen. In der Prüfung von Geltungsansprüchen
der Aussagen bezieht sie sich auf Inhalte, derer
es sich zu vergewissern gilt.
Nachdem sich
nun die Metapher gegenüber dem Begriff legitimiert hat,
geht es um ihre Differenzierung. Manifeste
Metaphern sind offen ausgesprochene, wie im o.g.
Beispiel: "ein Patient kommt in die Stunde und
sagt, er habe sich viele Themen überlegt, jetzt sei es
aber, als wäre ein >Korken auf der Flasche<".
Wir kennen alle solche Stunden, deshalb wenden wir
uns sofort der zweiten Form zu. Wie Lakoff & Johnson
sagen, steckt die Metapher nicht nur in den Worten, sie
steckt schon in der Organisation unseres Denkens, unserer
Erfahrung. Wörtlich kommen sie im Gespräch nicht vor,
dh. sie müssen erschlossen werden. Buchholz
spricht hier von konzeptuellen Metaphern.
Dazu einige Beispiele (Carveth 1993, 20ff):
Wir können Auseinandersetzungen gewinnen oder verlieren, den Gegner mit Argumenten schlagen; müssen Positionen räumen, können argumentativ standhalten oder untergehen.
Konzeptuelle Metaphern stellen einen "fokus imaginarius" dar, der "den Verstand zu einem gewissen Ziel richten" soll (Kant KrV,B,672). Dieser Fokus ist eigentlich ein Un-Ort, er läßt sich nicht bestimmen, nicht ausmessen. In den Metaphern der LIEBE z.B. definiert keine einzelne, was Liebe >ist<. Deshalb spricht Buchholz von einem "leeren Konzept"13. Die Imagination greift auf verschiedene sinnlich-anschauliche, bildgebende Bereiche zurück 14. Konkret:
Jede Metapher besteht aus einem bildempfangenden und einem bildgebenden Bereich, verbunden durch ein Gleichheitszeichen - z.B. LIEBE = KRIEG , aber dies ist sie doch nicht allein, sie ist z.B. auch SPIEL; wir sehen beides zugleich, sie ist KRIEG und ist es nicht, der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt hier nicht 15 - tertium datur. "Das entspricht genau den von Freud beschriebenen Eigenschaften des Primärptozesses" (557). Buchholz wendet sich nun einem kasuistischen Beispiel zu, das wir hier vollständig zitieren :
Wir finden hier im unfreiwilligen Wortspiel vom Rad / t die Verschiebung des fokus imaginarius vom visuellen Traumbild zum akustisch vieldeutigen Wort 16. Obgleich dieser Auszug einer vielfältigen Auslegung fähig wäre, nur eine Bemerkung: Therapie ist hier das leere Konzept, bzw. der bildempfangende Bereich und die Patientin arbeitet mit einer Metapher, die wir THERAPIE IST DIEBSTAHL nennen könnten. Als Konzept organisiert sie das Erleben der Patientin in der Übertragung als auch Buchholz Deutunglinien.
Metapher heißt wörtlich "Übertragung" - wie umgekehrt die analytische Übertragung eine Metapher ist und deren Doppeldeutigkeit erfüllt.
Natürlich wandeln sich die Metaphern im therapeutischen Prozeß. So ist es im o.g. Beispiel vielleicht zeitweilig notwendig, daß in der Therapie gestohlen wird, später entsteht eventuell eine Komplizenschaft. Beide Metaphern bleiben dann noch im gemeinsamen Bedeutungshof "krimineller Aktivitäten". Wie erwähnt, >stellen< konzeptuelle Metaphern nicht >fest<, sondern eröffnen eine Perspektive, >eine Sicht auf...<. Letzteres nennt Buchholz Kontext oder frame (Rahmen).
Das Verhältnis
von Äußerungen im Gespräch und Kontext (frame) kann
man sich so vorstellen:
Stellen wir uns einmal vor, was die Folge der Begegnung von THERAPIE IST DIEBSTAHL (Patientin s.o.) und THERAPIE IST DETEKTIVARBEIT (Therapeut/in) sein könnte? Es sollte in diesem Referat deutlich werden, daß Metaphern im psychotherapeutischen Dialog nicht das Problem, sondern eher die Lösung sind. Dazu bedarf
es aber auch eines feinen Gehörs, um die frames
reflektieren zu können. Metaphern können auch verführen
und ablenken. Sie stellen dar, verstellen jedoch
auch. Immer wieder müssen wir prüfen, ob sich
die in uns evozierten Vorstellungen mit denen des Gegenüber
auch decken. Nehmen wir die Bedeutung des metaphorischen
"Denkens" ernst, erwachsen uns so nicht nur
Vorteile - z.B. der größeren Lebensnähe - es
stellen sich auch Aufgaben: wir müssen stärker in die
lebensweltlichen frames eintauchen , die eventuell
nicht die unsrigen sind. Wir können und müssen aber
auch Metaphern kreieren, eine neue Sicht auf...
eröffnen. Gelegentlich geschieht das konfrontativ - z.B.
ernüchtern wir in einer kühlen Deskription die
selbstidealisierenden Geschichten 18
eines Narzißten - häufiger steigen wir in die
Metaphern der Patienten ein und geben ihnen eine
innovative Wendung.
Anmerkungen 1 Buchholz führt hier (548) die Haupttheoretiker seiner Überlegungen ein: Lakoff & Johnson, Metaphors We Live By, Chicago 1980. Diese haben die Metapher aus dem philosophisch-literaturwiss. Bereich in den einer kognitiven Linguistik überführt. Metaphern sind nicht allein auf Texte, sondern auf sprachvermittelte Konstitutionsleistungen des Bewußtseins (Kognitionen) bezogen. 2 Die Fallgeschichte, die Buchholz als Beispiel einer Arbeit mit manifesten Metaphern schildert, werden wir hier nicht erörtern. Sie ist dem Anhang 1des Referats beigefügt. 3 Ein jüdischer Betrachter kannte vielleicht diese Übersetzung, teilte sie - in ihrem Wahrheitsanspruch - aber natürlich nicht. 4 Eine eingehende Erörterung dieses Problems findet sich bei M.Brumlik, 1993. 5 Buchholz einführende Bemerkungen zu Lorenzer sind recht knapp, deshalb skizzieren wir sie kurz selbst. 6 Die Debatte um das Verhältnis von Denken und Sprache füllt Bibliotheken. Die Gegenthese zur o.g. Konzeption findet sich z.B. in den Forschungen von Sapir und Worf, die aber zu einem Sprachrelativismus führten und von Untersuchungen zu kognitiven und sprachlichen Universalien abgelöst wurden (vgl. Holenstein). 7 Unserer Meinung nach ändert sich an dieser Fragwürdigkeit nichts Wesentliches, wenn wir in der Folge des "linguistic turn" nicht von Worten, sondern von Propositionen (S ist p) ausgehen. Beide unterstellen eine "vollständige Ausdrückbarkeit" (Searle) / Versprachlichung des vermeinten Sachverhalts. Die ganze strukturalistische Diskussion in der Nachfolge von Saussure - Verhältnisbestimmung von Signifikat und Signifikanten - lassen wir unbeachtet, da sie in Buchholz Text keine Rolle spielt. 8 Nur beim Symbol (annäherungsweise auch im Lorenzerschen Sinne) liegt eine "Über-setzung" vor, während bei der Metapher jeder Übersetzungsversuch zu Informationsverlusten auf beiden Seiten führt. 9 Zum Zeitpunkt der Abfassung des Referats lagen uns nur ein Teil der Arbeiten Buchholz vor; auf die Originalliteratur von Lakoff & Johnson konnten wir leider auch nicht zurückgreifen. 10 Bewußtsein meint hier nicht bewußt im psychoanalytischen Sinne. In der Fn.7 (552) verweist Buchholz auf einen weiten Kognitionsbegriff, der auch "unconscious images" einschließt. 11 vgl. Fn.8 12 Konzeptuelle Metaphern werden in GROSSBUCHSTABEN dargestellt. 13 Leer meint in diesem Zusammenhang unbestimmt, offen für Einträge. 14 Metaphern sind keine Aussagen, die per se richtig oder falsch sein können und sich deshalb gegenseitig ausschließen. Wenn Metaphern keine wahrheitsfähigen Propositionen sind, so erheben sie vielleicht dennoch einen Geltungsanspruch: zwar nicht den, wahr oder falsch, aber den, angemessen oder unangemessen zu sein, also einen ästhetischen (vgl. Habermas) 15 Buchholz scheint einen kontrdiktorischen Widerspruch zu suggerieren, die perspektivische Verfaßtheit der Metapher arbeitet aber eher mit Hinsichtunterschieden, dh. Widersprüchen, die auf verschiedenen Sichtweisen beruhen. 16 An dieser Vignette zeigt sich auch die Bedeutung der manifesten Traumbilder bzw. ihrer Erzählung. Die ganze bisherige Diskussion könnten wir auch auf das Verhältnis des manifesten Traums mit seiner metaphorischen Verweisungstruktur zu den latenten Traumgedanken anwenden. Auch hier gibt es die fragwürdige Tendenz zu einer eindeutigen Übersetzung (vgl. Ken Frieden, 1990 ) 17 Buchholz stellt hier die These in Frage, ob der Übergangsraum immer einer frühen, archaischen Entwicklungsstufe zuzuordnen ist. 18 Metaphern
erweitern sich häufig zu Geschichten, narrativen
Strukturen. So können wir davon sprechen,
selbstinterpretierend sind wir in "Geschichten
verstrickt" (Schapp).
Anhang Ein Beispiel: Flasche und Korken "Mario ist ein 21 jähriger junger Mann, der mich wegen seiner Unfähigkeit, mit Frauen zu schlafen, aufsucht. Er leidet an einer Erektionsschwäche, die dann eintritt, wenn er in die Frau einzudringen versucht. Er sieht sehr gut aus, und ich glaubte ihm sofort, als er sagte, er brauche nur in eine Disco zu gehen und könne "abschleppen", wen er wolle. Er intellektualisiert sehr stark, spricht "geschliffen", und als ich diese Metapher fand, fiel mir immer mehr die Schärfe seines Sprechens auf. Deshalb wunderte ich mich nicht, als er von seinem ersten Traum berichtete: Er habe einer Frau das Gesicht zerschnitten. In der Deutung dieses Traums habe ich vor allem auf die Verbindung zwischen der Schärfe seiner Worte und dieser metaphorischen Traumdarstellang abgehoben und gewann den Eindruck, ihn damit gut erreicht zu haben. Viele Stunden später kommt er und sagt, er habe sich viele Themen überlegt die er mit mir besprechen wollte, aber jetzt sei er da und es sei so, als wäre ein Korken auf der Flasche. Zunächst fasse ich diese Metapher als endopsychische
Darstellung seiner Affektisolierung und der Verdrängung
auf, dann aber auch als metaphorische Darstellung seiner
Potenzstörung. Ich sage zu ihm, es sei ja nun möglich,
so zu verfahren, daß er sich einfach anstrengt, in der
Hoffnung, daß ihm die entfallenen Themen wieder
einfallen mögen. Aber wir könnten statt dessen ja auch
zu verstehen suchen, was es mit dem Korken und der
Flasche auf sich habe, z.B. sei ja denkbar, daß in dem
Augenblick, als er hier hereingekommen, ihn etwas beschäftigt
habe, was die anderen Themen in den Hintergrund habe
treten lassen. Jaja, unterbricht er mich ungeduldig, es
falle ihm jetzt wieder ein. Er verliebe sich immer in
Prauen, die sich zu ihm nicht hingezogen fühlten. Und
darüber habe er gestern mit seinem Freund Alf gesprochen.
Ich weiß bereits, daß Alf ein schwuler junger Mann ist,
der sich in Mario verliebt hat und, so empfindet es
Mario, sehr unterwürfig um ihn wirbt. Mario kann den
Hundebliclc von Alf nicht ausstehen. Und gestern sei es
so gewesen, daß Mario sich für Alfs Themen zur Verfügung
gestellt habe, er habe alles, was Alf sagte, in sich
aufgenommen und kaum etwas von sich erzählt. Ich sage an
dieser Stelle zu Mario, er sei wohl so eine Art Gefäß
gewesen, und Alf habe keinen Korken auf der Flasche
gehabt. Genau so habe er sich empfunden, antwortet er.
Aber irgendwie habe er sich nach dem Gespräch mit Alf,
nein: nicht leer, sondern »wund« gefühlt. Er wählt
eine neue Metapher für die Darstellung seines Gefühls.
Es ist nur ein Wort, das aber eigentlich ein ganzes
Szenario enthält. Die Metapher vom »wunden« Gefühl
deutet ein Szenario an.
Literatur Buchholz, M.B. (1993), Einleitung, in: Ders. (Hg.), Metaphernanalyse, Göttingen 1993a Brumlik, M. (1993), C.G. Jung zur Einführung, Hannover Carveth, D.L. (1993), Die Metaphern des Analytikers. Eine dekonstruktivistische Perspektive, in: Buchholz (1993a) S.15-71 Frieden, K. (1990), Freuds Dream of Interpretation, New York Gamm, G. (1992), Die Macht der Metapher. Im Labyrinth der modernen Welt, Stuttg. Kurz,G. (1988), Metapher, Allegorie, Symbol, Göttingen
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