Frame:  Kleine Laudatio für Dr. Eckhard Schiffer

Kleine Laudatio

für Dr. Eckhard Schiffer

anlässlich der Verabschiedung als Chefarzt der
Abteilung für Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik −
Christliches Krankenhaus Quakenbrück (CKQ)

 

 

von Dipl.-Psych.
Rudolf Süsske

30.01.2009

Dr. Eckhard Schiffer

Lieber Eckhard, verehrte Gäste, werthe Kolleginnen und Kollegen.

Erlauben sie mir ein paar kurze Bemerkungen im Rückblick auf knapp 19 Jahre klinischer Zusammenarbeit und 30 Jahre persönlicher Bekannt­schaft mit dem Mann, dessen Abschied wir heute begehen, ja auch feiern, wenn wir damit Dank und Würdigung für den engagierten Aufbau und Leitung unserer Abteilung für Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik verbinden.

Wollte ich meine Gedanken in extenso ausführen, so könnte ich ihnen vielleicht den Titel geben:

Warum Eckhard Schiffer seinen Enthusiasmus nicht verlor.

Das griechische Wort Enthousiasmós meint ur­sprünglich in etwa Begeisterung durch Gott – von einer Idee, einer Inspiration erfüllt sein. Es ist dies hier die Idee einer sprechenden, dialogischen Medizin, die dem Patienten – als leidendem Objekt – dazu verhilft, wieder handelndes, selbstre­flex­ives Subjekt zu werden.

Diesen Enthusiasmus trug er, trägst Du – werther Eckhard - aber auch über Quakenbrück – den Mittelpunkt der Welt – hinaus  in die Region bis in das ferne Finnland.

Nicht nur PatientInnen, auch Mitarbeiter und Mit­­­arbeiterinnen ließen sich begeistern und werben. Dass es im klinischen Alltagsgeschäft mit seinen Anforderungen an Kraft und Ressourcen dann auch zu Desillusionierungen kam, war wohl nicht immer vermeidbar.

***

Vor der nüchternen Normativität des Faktischen nicht zu resignieren, der Wirklichkeit immer ein hoffnungsträchtiges Surplus hinzuzufügen – ohne den ökonomischen Mehrwert aus den Augen zu verlieren –, war und ist stets Dein Anliegen. Mit Ernst Bloch könnte man diese Art des Tuns – im Ge­gen­satz zum bloßen Wunschdenken –, eine docta spes, eine belehrte Hoffnung, nennen.

Ein weiteres, anthropologisch gewendetes, Leitmo­tiv Ernst Blochs spielt in Deinem Denken – so erlebte ich es jedenfalls – ein bedeutsame Rolle: Heimat:  also „das, was allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“ [1] .

Damit das „in die Kindheit scheint“ nicht zum Schein, zum zerstörten Versprechen der conditio humana wird,  galt und gilt Dein Wirken der Förderung von Eltern und Erziehenden, ihren Kindern einen „sicheren inneren Ort“, ein Gefühl von Kohärenz und Eigensinn zu vermitteln.

Nicht zuletzt war es die Initiierung des „Familientherapeutischen Zen­trums“ unserer Abteilung, die dieses Anliegen aus der Sphäre der Möglichkeit und Wünschbarkeit heraus  in einer Institu­tion ver-wirklichte.

Ich wäre ein schlechter Psychotherapeut, ließe ich – bei aller Diskretion – die Frage nach einer möglichen lebensgeschichtlichen Fundierung dieses Motivs außen vor: Wer in den ersten Lebensmonaten, im wörtlichen Sinne, auf der Flucht war, der verbindet wohl mit „Heimat“ immer ein u-topisches Moment. Der „sichere Ort“ wird ihm – mehr oder spürbarer als vielleicht anderen – zu einem „inneren“. Nicht wesentlich territorial, gar volkstümelnd ist Dir Heimat ein emotionaler Ort:  sich in sich selbst, im eigenen Leib und Beziehungen geborgen zu fühlen. Das utopische Moment zeigt sich auch darin, dass man diesen Modus der Heimat nicht einfach „hat“, sondern „immer auf dem Wege ist“.

***

Ein anderer Deiner Wahlsprüche lautet: „Tue Gutes und rede darüber“. Soll Gutes aber schon zu Beginn perfekt sein, so gäbe es wenig davon. Wenn es gilt, eine Not zu wenden oder neue Ideen umzusetzen, hältst Du es mit Walter Benjamin:

In diesen Tagen darf sich niemand auf das versteifen, was er (perfekt) ‚kann‘. In der Improvisation liegt die Stärke. Alle entscheidenden Schläge werden mit der linken Hand geführt werden. [2]

Das Perfekte um seiner selbst willen wie eine ebensolche Ordnung, Rückversicher­ungen, die sich einer ängstlich-zwanghaften Mentalität verdanken, sind Dir suspekt. Wenngleich damit aber keineswegs dem Laissez-faire und unreflektiertem Handeln  Tür und Tor geöffnet wurden.

Das psychotherapeutische Handeln gleicht manchesmal – ganz unpathetisch gemeint – der Kunst, wie wir uns bemühen – im Sinne Michael Balints – den Patienten als Kunstwerk anzusehen, als Unikat, unverwechselbares Individuum.

Das rein naturwissenschaftliche Denken empfindet individuelle Subjektivität als „Stören­fried“ ver­meintlicher Objektivität.

Unser Handwerkszeug dagegen ist weniger das Messgerät oder Therapie-Manual, sondern gerade unsere eigene Subjektivität, unsere Empathie und Resonanz, die sich mit unserem wichtigen und notwendigen therapeutischen, medizinischen und pflegerischen Wissen verschwistert. Das Handwerkzeug muß aber auch gepflegt werden und so hast Du – gleichermaßen für alle Mitglieder unseres multiprofessionellen Teams – Weiterbildung, Supervision und Eigenerfahrung stets gefördert und gefordert.

Auch mahntest Du uns immer wieder auf unsere Sprache zu achten, Entwertungen z.B. in Entlassungsbriefen zu vermeiden, nicht über Objekte, sondern von Menschen zu schreiben und uns auch empathisch vorzustellen, was Patienten und Patientinnen beim Lesen ihrer Berichte em­pfinden könnten. Hier findet sich nicht nur das Dialogische der Psychotherapie bzw. sprechenden Medizin, sondern auch das Vergegenwärtigen einer prinzipiellen Umkehrbarkeit und manchesmal faktischen Umkehrung der Rollen von Arzt/Therapeut und Patient.

***

Psychotherapie – wie sie sich hier in unserer Abteilung verwirklicht hat – ist weit mehr als eine talking cure. Selbst nicht immer sicher, worauf Du Dich da einließest, warbst Du für Musik und Tanz, Spiel und bildnerische Gestaltung als körperliche und seelische Gesundheit förderndes Agens.

Neben den psychoanalytischen Paten Balint, Win­ni­cott, Stern u.a., war es besonders Friedrich Schiller, der Dir dabei den Weg wies:

"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." [3]

Im Spiel mit Anderen und Dingen, imaginäre Szenerien kreativ zu gestalten  und gleichermaßen sich ihnen anzuverwandeln, bedarf eines „sicheren inneren Ortes“ – wie sich dieser u.a. der Möglichkeit des Spielens verdankt. Wenn wir eine umwerfende Idee oder einen zündenden Funken haben, aber auch, wenn wir uns in andere hineinversetzen, ohne uns selbst zu verlieren, zehren wir von unseren spielerischen Ressourcen. „Reife“ des Menschen – so sagte es Nietzsche einmal: "das heißt den Ernst wiedergefunden (zu) haben, den man als Kind hatte, beim Spiel." [4]

Dich selbst hat man nur ab und an in der Klinik singen, tanzen und malen gesehen. Und immer wenn mein Blick auf Dein Buch „Reise zur Gelassenheit“ fällt, muss ich schmunzeln. Da kann ich nur sagen: Du bist noch auf der Reise.

Bei aller Kritik rigiden Leistungsdenkens, behielt die Pflicht gegenüber der Neigung zumeist die Oberhand. Wie könnte es auch bei einem guten Protestanten und Liebhaber Kants anders sein, zudem in Deiner Position.

Gleichwohl war es oft lustvoll, in der Fortbildung mit Dir spielerisch ernst – dh. im fair play – über Texte oder neue Ideen zu diskutieren und zu streiten. Denn das war möglich: gleichberechtigt zu diskutieren, nur der Autorität des besseren Arguments unterstellt.

Wenn ich in meiner Skizze bislang eher philosophisch-anthro­po­logische Hinsichten angesprochen habe,  so wollte ich damit nur den weiten Horizont betonen, zu dem sich Deine medizinische und psychotherapeutische Kompetenz in produktiver Resonanz befand und befindet. Ein psychotherapeutischer homo faber bist Du nie gewesen und wirst es niemals sein.

***

Eine Bemerkung zum Schluß: Wir alle wissen, Selbstverständliches wird erst in Krisen als solches bewußt. Und so war das Thema der „Kohärenz“ in unseren Fortbildungen der letzten Jahre nicht nur Ausdruck eines salutogenetischen Therapieverständnisses, sondern auch ein Appell an unser abteilungsinternes Zusammengehörigkeits­gefühl.

Wir stehen heute vor neuen ökonomischen und konzeptionellen Kon­stellationen, deren Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit unsere Kompetenzen und Identität herausfordern.

Aber da bin ich hoffnungsvoll und gelassen, wenn­gleich – wie schon gesagt – die Hoffnung eine durch Erfahrung belehrte und die Gelassenheit eine sehr aufmerksame ist.

Für Deinen, sicher eher Unruhe- denn Ruhestand  herzlichst alles Gute. Wir bleiben im Dialog ...

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

Anmerkungen:

[1] Bloch, Ernst, Das Prinzip Hoffnung, S. 1628

[2] Benjamin, Walter: Einbahnstraße, in: GS IV.1, 89

[3] Schiller, Friedrich: Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795), 15. Brief

[4] Nietzsche, Friedrich: Werke und Briefe: Viertes Hauptstück. Sprüche und Zwischenspiele, S. 6919, digitale-bibliothek.de/ band31


Link:

www.eckhard-schiffer.de

 

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